Am 26. und 27.11. wurde zum 8. Mal der Deutsche Nachhaltigkeitspreis vergeben. Zum ersten Mal gab es sogar einen sog. „Next Economy Award„, bei dem Start-Ups und kleinere Unternehmen die Chance hatten, einen Preis zu gewinnen. Geld gab es allerdings nicht – es ging nur um Ruhm und Ehre. 5 ShoutOutLoud Mitglieder durften mit dabei sein, um sich anzuschauen, wie Industrie und Politik mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen.
Interessant begann es schon mit der Partnerliste: Dass Frosch und Gepa vertreten waren, war weniger verwunderlich. Doch auch Nespresso, Unilever und CocaCola waren dabei.
Die Stände dieser Unternehmen schauten wir uns dann natürlich genauer an, wollten wir doch wissen, was diese Unternehmen so grün und damit zu Partnern der deutschen Nachhaltigkeitstage macht. Schnell stellte sich heraus, die Hürden sind nicht so hoch. Oder erwarten wir, die sich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen, einfach zu viel und sollten unsere Erwartungen an derart große Organisationen relativieren?
Beispiel CocaCola – Ziel: 100% des Wassers, welches für die Produktion von CocaCola verwendet wird, soll den Menschen über Projekten zurückgegeben werden. Schön und gut, aber im Umkehrschluss heißt das: Erst den Menschen das Wasser wegnehmen, welches sie zum Überleben brauchen, um sie dann von Entwicklungszusammenarbeitsprojekten abhängig machen! Wow! Sehr nachhaltig!
Beispiel Unilever – Ziel: Den Umsatz verdoppeln und dabei die CO2-Emissionen halbieren. Schön! Aber warum muss es die Verdoppelung des Umsatzes sein? Muss es wirklich immer um Wachstum gehen? Unterziele sind im Fortschrittsbericht 2014 zu lesen.
Beispiele gefällig?
Knorr Eintöpfe mit 100% nachhaltig angebautem Gemüse! Außerdem im leichten Knorr Aromapack, anstatt in der schweren Metalldose. Finden wir gut, aber was ist mit dem Huhn des Knorr Hühner Nudeltopfs? Wo kommt das her? Wir vermuten mal, dass es nicht das Demeter-Huhn ist. Viel wichtiger aber die Frage: Wie nachhaltig kann ein Unternehmen sein, welches überhaupt solche Fertigprodukte erzeugt?
Gleicher Fall bei Deo-Spraydosen. Ja, sehr positiv ist, dass Unilever es geschafft hat, die Spraydose um 25% zu verkleinern, d.h. 50% weniger Treibhausgase, 25% weniger Verpackung, 16.000 Tonnen weniger CO2 bei gleichem Inhalt. Parallel geben sie die Bauweise der Dose an die Konkurrenz weiter! Super! Aber, man könnte auch ein wenig Kaisernatron, 3-4 Tropfen ätherisches Öl und warmes Wasser mischen, schütteln und in ein zig Mal wiederverwendbares Glasfläschchen füllen und so komplett auf Deo-Aluspraydosen verzichten! 🙂 Aber davon wächst natürlich nicht der Unilever-Umsatz um das Doppelte.
Als letztes Beispiel soll noch das Ziel „Null Abholzung“ genannt werden. Prima ist, dass sich Unilever mit vielen anderen Partnern verpflichtet hat, die Abholzung drastisch zu reduzieren. Eine Halbierung der Abholzung bis 2020 und eine Beendigung bis 2030 sowie die Aufforstung von 250 Millionen Hektar degradierter Wälder (ein Gebiet in etwa so groß wie Indien) – klingt gut! Wir fragen uns aber: Wie viel Wald kann bis 2030 noch abgeholzt werden und warum? Wieso steckt man die Ziele nicht viel enger, sondern erlaubt noch weitere 15 Jahre ungeheure Abholzung und darf sich dann noch nachhaltig nennen?
Jeden Tag gehen ca. 14.500 ha Wald verloren – das sind in den nächsten 15 Jahren knap 80 Millionen Hektar Wald! Ob die Aufforstung dieser gewaltigen weiteren Abholzung und der langfristigen Schäden, wie der Entweichung von Klimagasen und der Beschleunigung des Klimawandels, entgegenwirken kann, wird sich zeigen…
Natürlich soll hier Unilever nicht als Sündenbock für die Abholzung der Regenwälder stehen. Trotzdem werden – laut WWF – insgesamt weltweit jedes Jahr 11 Millionen Hektar Wald abgeholzt.
Mehr Fakten dazu liefert ein Welt-Artikel von April 2015.
Es gibt viele weitere Beispiele von Unilever und Co, die sich auf den ersten Blick schön lesen und (vermeintlichen?!) Umweltschutz symbolisieren, aber auf den zweiten Blick taucht in unseren Köpfen immer das „Ja, aber…“ auf!
Lest selbst nach und bildet euch eure Meinung: Hier gehts zum Unilever Fortschrittsbericht, zur Nachhaltigkeitsstrategie von CocaCola und Nespresso (ja, dass sind die, die ihren Kaffee in Einweg-Aluminium-Kapseln anbieten).
Doch zurück zur Konferenz – aufgebaut war sie wie jede Konferenz: Die Menschen liefen in dunklen Anzügen herum, haben sich gegenseitig auf die Schulter geklopft und beweihräuchert, es gab viel Gerede in einem kleinen Kreis von Teilnehmern (die Tickets kosteten regulär mind. 800 €, ohne Zutritt zur Verleihung des Nachhaltigkeitspreises am Abend – die war zu exklusiv).
Getränke wurden von CocaCola gesponsert, so auch das Wasser, der Pausenimbiss bestand u.a. aus Wurstbroten und Unilever-Snacks, von Bioware war nichts zu sehen und ob sie die Lebensmittel-Reste gespendet haben, bezweifeln wir stark. Da war die Konferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung 2015 schon spürbar besser geplant – es wurde Leitungswasser ausgeschenkt, das Büffet war vegan/vegetarisch und die Reste wurden in Resteboxen zum Mitnehmen angeboten bzw. der Tafel gespendet.
Interessant war auch die Nominierung einiger Start Ups für den Next Economy Award – neben FoodLoop (die uns zwei Freikarten geschenkt hatten), die eine App entwickelt haben, bei der Verbraucher sehen können, wo es wann welche Produkte günstiger zu kaufen gibt, weil sich das MhD nähert, war bspw. auch die Firma TunaTech nominiert, die es geschafft hat, den Blauflossenthunfisch mit molekuralbiologischen Techniken zum Ablaichen in Gefangenschaft zu bewegen. Dieses Verfahren ermöglicht es, dass nun auch der Thunfisch in Aquakulturen gehalten werden kann, was den Fischbestand der Wildtiere erhalten soll. Tatsächlich ist sein Bestand stark gefährdet. Lässt man ihn lang genug leben, kann er bis zu 15 Jahre alt und 300 kg schwer werden (der größte gefangene Fisch erreichte sogar 4,5 Meter und 684 kg). Sie können bis zu 80 km/h schnell schwimmen und legen – in Freiheit – jährlich Tausende von Kilometern zurück.
Auch hier kann man die Nominierung von TunaTech also als zweischneidiges Schwert betrachten: Schön, wenn die Ausrottung des Fisches gestoppt werden kann, aber wie nachhaltig ist eine Firma wirklich, die es schafft, Räuber der Weltmeere in Gefangenschaft halten zu können?
Mit weiteren skeptisch zu betrachtenden Vorträgen, Diskussionen und Unternehmenspräsentationen ging die Konferenz weiter und mit sehr gemischten Gefühlen fuhren wir am Ende zurück nach Frankfurt. Die große Frage ist: Sollten wir uns damit zufrieden geben, dass sich beim Thema Nachhaltigkeit doch schon einiges tut, oder erwarten wir einfach zu viel von der Menschheit? Wie würde die Welt ohne große Unternehmen aussehen? Wo stünden wir dann heute? Kann ein wirklicher Wandel von Großkonzernen ausgehen oder brauchen wir nicht doch viele kleine Projekte und Initiativen aus der Bevölkerung heraus? Wo fängt Nachhaltigkeit an und ist unsere Welt bzw. viel mehr die Menschheit noch zu retten oder haben wir es eh schon versaut?
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