Lebensmittelverschwendung war lange ein chronisch unbeachtetes Thema, doch bekommt es endlich die öffentliche Aufmerksamkeit, die es verdient. Dabei wurde es höchste Zeit, dass das Thema auf die politische und gesamtgesellschaftliche Agenda kommt. Der Kampf gegen die enormen Massen an Lebensmittelabfällen und –verlusten geht uns nämlich alle etwas an. Und birgt dabei ein großes Potenzial für die Triple-Bottom-Line und damit für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen – eine Win-Win-Win-Situation sozusagen!
Laut der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) werden derzeit weltweit 1,3 Milliarden Tonnen essbarer Lebensmittel pro Jahr weggeworfen – dies entspricht Kosten von einer Billionen US-Dollar für den Einzelhandel. Dabei ist das noch lange nicht das Ende des Ausmaßes einer ungeheuren Ressourcenverschwendung. Für Produktion, Transport, Lagerung und Vermarktung der Lebensmittel werden große Mengen an Energie, Wasser und Land benötigt.
Mit jährlich rund 3,3 Gigatonnen stellt die weltweite Lebensmittelverschwendung nach China und den USA den drittgrößten Emittenten von Treibhausgasemissionen dar. Ferner geht das UN-Umweltprogramm davon aus, dass die Lebensmittelproduktion für 70 Prozent des globalen Frischwasserverbrauchs und 80 Prozent der Waldrodungen/Abholzungen verantwortlich ist.
Doch nicht nur die Implikationen für die Umwelt und damit globale Herausforderungen wie den Klimawandel und die Ressourcenknappheit sind höchst bedrohlich. Auch vor dem sozialen Hintergrund ist man mit weltweit über 800 Millionen Hungerleidenden immer noch weit von allgemeiner Nahrungsmittelsicherheit und nachhaltiger Entwicklung entfernt. Dabei könnte die Erde schon heute bei einer gerechteren Verteilung die bis 2050 prognostizierten 10 Milliarden Menschen ernähren.
Die deutsche Bundesregierung hat sich nun vergangenes Wochenende auf der UN-Vollversammlung in New York neben den anderen 192 Mitgliedsstaaten zu den globalen Nachhaltigkeitszielen verpflichtet. Das zwölfte von insgesamt 17 Zielen für mehr Armutsbekämpfung, inklusive Gesellschaften und Umweltschutz bis zum Jahr 2030 fordert nachhaltige Produktions- und Konsummuster. Eines der Unterziele hiervon ist, die pro Kopf-Lebensmittelverluste bis 2030 zu halbieren.
Denn auch in Deutschland ist ein entschlosseneres Vorgehen gegen die Lebensmittelverschwendung bittere Notwendigkeit. Über 18 Millionen Tonnen und damit fast ein Drittel des aktuellen Nahrungsmittelverbrauchs landen hier pro Jahr im Müll – mehr als die Hälfte davon wäre vermeidbar. Vom Produzenten über den Groß- und Einzelhandel, die Gastronomie bis zu den Privathaushalten – mehr oder weniger jeder Schritt entlang der Wertschöpfungskette muss in die Pflicht genommen werden.
Deshalb ist klar, dass der politischen Willensbekundung nun auch Taten in Form eines nationalen Aktionsplans folgen müssen. Es bedarf unmittelbar und schnell wirkender Politikinstrumente – seien es verhaltensbasierte Anreize, Vorgaben für Gastronomie und Supermärkte oder eine Änderung des Mindesthaltbarkeitsdatums.
Allgemeine Maßnahmen zur Steigerung der Wertschätzung von Lebensmitteln sind ebenso vonnöten. Denn mit einem Anteil von zwei Dritteln an der gesamten Lebensmittelverschwendung stellen Verteilungs- und Konsumverluste den absoluten Löwenanteil dar. Und damit sind es meist vor allem die privaten Haushalte und dementsprechend fast jeder Einzelne von uns, der aufgrund eines zu geringen Bewusstseins für die Problematik mitschuld an diesem ungeheueren Missstand ist.
Deshalb haben wir von ShoutOutLoud der Lebensmittelverschwendung den Kampf angesagt. Durch diverse Projekte versuchen wir zu einem nachhaltigeren, weil bewussteren Umgang mit Lebensmitteln beizutragen. Ob bei unseren Waste Watcher-Parties, zu welchen wir alle Menschen einladen, gemeinsam mit uns und geretteten Lebensmitteln zu kochen, oder aber bei unseren SOL-Küchen, in welchen wir einzelne, meist regionale Lebensmittel in einer Art Workshop besseren kennenlernen und sexier machen wollen.
Durch das Aufstellen von sogenannten Fair-Teilern im öffentlichen Raum wollen wir außerdem die Weitergabe von noch genießbaren, aber für sich selbst nicht mehr benötigten Lebensmitteln an Andere ermöglichen. Auch involvieren wir das lokale Gastronomie- und Einzelhandelsgewerbe, indem wir vorbildliche Betriebe und deren Einsatz im Rahmen der Abfallvermeidung mit unserem “Kein Essen für die Tonne”-Aufkleber auszeichnen. All unser Engagement im Bereich der Lebensmittelverschwendung wurde bereits von der Bundesregierung bzw. dem Rat für nachhaltige Entwicklung und dessen Werkstatt N-Siegel honoriert.
Zu Recht rückt das Thema vermehrt in das gesamtgesellschaftliche Interesse. Und wir sind höchst erfreut darüber, dass sich immer mehr Organisationen – öffentlich und privat – diesem für die globale Nachhaltigkeit so wichtigen Thema annehmen. Denn ganz gleich ob öffentliche Kampagnen wie Zu gut für die Tonne der Bundesregierung, Unternehmensinitiativen und –zusammenschlüsse wie United Against Waste, gemeinnützige Vereine wie wir oder FoodFighters, gesellschaftliche Initiativen wie Foodsharing, Magazine wie das Magazin für Restkultur, oder aber auch Projekte wie Restlos Glücklich – ganz unterschiedliche Akteursgruppen haben die Dringlichkeit erkannt, hier etwas zu unternehmen.
Aber letztlich ist dies auch dringend notwendig und längst überfällig, wird uns doch schon heute unweigerlich klar gemacht, dass sich unsere Nachfolgegenerationen diese Art der Ressourcenverschwendung nicht mehr leisten können. Auf der anderen Seite war es nie einfacher, Geld zu sparen und dabei noch einen wichtigen Beitrag zu ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit zu leisten. In diesem Sinne: Kein Essen für die Tonne!
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Dieser Artikel ist im Original in englischer Sprache auf Sustainable Natural Resource Management erschienen.
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